Es ist Donnerstagmorgen und das Arbeiten in der Kreativen Werkstatt in Lobetal hat begonnen. Bezugsbetreuer Christian Moritz begleitet Hans-Jürgen Heinze zur Kreativen Werkstatt der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal. Er geht dicht hinter ihm, hält ihn. Nach ein paar Schritten löst sich Herr Heinze von ihm, tastet sich zum Tisch, dann zum Stuhl und setzt sich. Heinz-Jürgen Heinze ist so gut wie blind.
Sein Arbeitstisch in der Kreativen Werkstatt wurde bereits durch Kunstassistentin Ana Fernandez Furelos vorbereitet. Er nimmt die Gegenstände, die vor ihm auf dem Tisch liegen, nacheinander in die Hand und tastet sie ab. Drei Blöcke aus rotbraunem Ton liegen vor ihm. Er ist ganz bei sich. Er zieht eine Holzunterlage zu sich heran, tastet dann das Gefäß mit den sich darin befindlichen Werkzeugen ab und beginnt den Ton zu bearbeiten.
Herr Heinze nimmt ein Nudelholz, glättet damit ein Stück Ton, tastet es ab, rollt es noch dünner, schneidet anschließend ein Dreieck heraus und formt Kugeln. Es sieht so aus, als würde er direkt aus seinem Innersten, aus der Seele heraus, arbeiten, als würden seine Hände mit dem Ton sprechen. Seine Augen sind die Hände und Finger. Sie sind langgliedrig und sensibel. Formen entstehen. Er hat wohl ein genaues Bild in sich, was er gestalten möchte. Wie seine fertige Arbeit auf künftige Betrachter wirken könnte? Das scheint keine Rolle zu spielen. Nur eines zählt: Was er schafft, ist für ihn Lebensglück. Ist es doch gleichzeitig seine einzigartige Ausdrucksmöglichkeit, über die er auch kommuniziert.
Die ersten Tonarbeiten sind fertig und staunende Blicke der Anwesenden richten sich auf ihn. Dann ist es zu erkennen: Hans-Jürgen Heinze hat ein Verkehrsschild mit einem dazugehörigen Fußgängerüberweg modelliert. Mit Hilfe von Geräuschen und Bewegungen zeigt er, dass seine Arbeit die Sicht eines Autofahrers am Lenkrad darstellen soll. Während alle rätseln, wie er das überhaupt so wahrnehmen konnte, arbeitet Herr Heinze bereits weiter. Unter seinen geschickten Händen entsteht die Verkehrsampel. Auch die kommentiert der 72jährige im Anschluss mit Lauten und Fingerbewegungen, die das Blinken der Ampel darstellen.
Heinze ist sehbehindert und taub von Geburt an. Er wohnt seit 56 Jahren in Lobetal. Zunächst in der Wohnstätte Birkenhof, wo er in der Landwirtschaft im Pferdestall beschäftigt war. 1973 zog er um in die Wohnstätte Bethel. Seit 2015 ist er in Rente.
Heinz-Jürgen Heinze kann auf ein breites Spektrum künstlerischen Schaffens zurückblicken. Seine Arbeiten wurden an zahlreichen Ausstellungen gezeigt. In 2014-2017 fanden seine Werke einen festen Platz in den Wanderausstellungen „Kunst trotz(t) Handicap sowie „Kunst trotz(t) Ausgrenzung.“
Die Kreative Werkstatt konnte dank großer Unterstützung durch den Freundeskreis der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal 2016 ein neues Gebäude beziehen. Rund 50 Menschen mit Behinderung können sich darin regelmäßig künstlerisch und kreativ betätigen.