Erinnerungen, die richtig gut tun.
Endlich ist es soweit. Der Bulli steht vor der Tür, und es geht los. Wir sind fünf Menschen mit Einschränkungen und zwei Mitarbeiterinnen und machen uns auf die Reise nach Frankfurt (Oder). Zunächst geht es über die Landstraße. Wir genießen den Spätsommer mit seinen Feldern, Wäldern und Wiesen in vollen Zügen. In Frankfurt (Oder), in der Luisenstraße 21 angekommen, werden wir schon von Sabrina Zithier, der Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Wichernheims erwartet.
Bei Kaffee und Torte nehmen wir in der Cafeteria Platz und stärken uns erst einmal. Dabei finden Gespräche mit Herrn Krug und Herrn Eitner statt. Viele Fragen zu alten Fotos und mitgebrachten Erinnerungen aus der Biografiearbeit werden ausgetauscht. Wir Mitarbeiterinnen assistieren wo notwendig in der Kommunikation. Alle sind sehr aufgeregt und müssen ihre Gedanken erst einmal sortieren. Immerhin liegt das Leben im Wichernheim über 55 Jahre zurück.
Frau Zithier vom Wichernheim ist sehr an den Erinnerungen interessiert. Denn auch im Wichernheim gibt es mittlerweile kaum noch Menschen, die soweit zurück schauen können in die Vergangenheit. So wird eine vermeintliche Waschküche auf einem Foto nach den Erinnerungen von Herrn Krug ganz klar als damalige Küche benannt. Andere Erinnerungen wie: „Wir hatten einen Buddelkasten und einen Sportplatz … jeden Tag gab es in der Kirche eine Andacht … es gab ein ‚Besinnungsstübchen‘ … ich hatte einen kleinen Hocker im Zimmer,“ bringen die Vergangenheit in die Gegenwart.
Anschließend gibt es eine Führung durch die noch erhaltenen Räume in den verschiedenen Häusern aus den Kindertagen. Dabei treffen wir auf Menschen, die, wie sich im Gespräch herausstellt, ebenfalls seit 1958 dort leben.
Herr Eitner erinnert sich an verschiedene Namen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von den Damen vor Ort bestätigt werden können: „Ja, diese Personen haben hier gearbeitet, sind aber bereits vor langer Zeit verstorben,“ heißt es.
Beim ersten Besuch vor 10 Jahren lebte noch das Kindermädchen von Herrn Krug im Wichernheim. Sie hieß Frau Anneliese und war hochbetagt. Damals kam es zu einem zufälligen Treffen in der Cafeteria mit Herrn Krug. Diese für ihn wichtigen Erinnerungsfotos hängen bis heute in seinem Zimmer.
Weiter geht es über das Gelände in die kleine Kirche. Wieder kamen bei beiden Männern Erinnerungen hoch. Auf dem Gelände, im Schatten eines Baumes, lassen wir schließlich alles in Ruhe auf uns wirken. Der Ausflug endet mit einem Mittagessen in Seefeld bei strahlendem Sonnenschein. Herr Eitner und Herr Krug sind überglücklich. Diese Reise ist ansteckend: Ein weiterer Mitfahrer, der Frankfurt (Oder) gar nicht kannte, äußert bei diesem Ausflug ebenfalls den Wunsch, den Ort seiner Kindheit – ein Kinderheim – zu besuchen. Diesen Wunsch werden wir ihm gerne erfüllen.
Sylvia Düring hat Herrn Krug und Herrn Eitner bei Ihrer Fahrt in die Vergangenheit begleitet und diesen Reisebericht geschrieben. Sie arbeitet im Mobilen unterstützenden Teilhabedienst „MuT“ im Bereich Teilhabe und besuchte gemeinsam mit beiden das ehemalige Kinderheim in der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder). Das Haus, in dem Günther Krug und Horst Eitner einst lebten. Herr Krug war dort von 1958 bis 1966, Herr Eitner von 1958 bis 1967. Anschließend zogen beide von dort ins Haus Bergauf in Lobetal. Es war für beide ein Herzenswunsch, den Ort ihrer Kindheit erneut zu besuchen. Bereits 2014 hatte ein Kollege diese Reise mit ihnen unternommen. Nun sind die Männer 70 Jahre alt, doch die Sehnsucht nach Frankfurt (Oder) war immer noch groß. Also war es Zeit für diese zweite Fahrt in diesem Jahr.
Bitte unterstützen Sie den wichtigen Dienst unseres Bereiches Teilhabe für Menschen mit einer Behinderung.
Vielen herzlichen Dank!